Eine Arztpraxis aus Süddeutschland hat mit ihrem Praxisschild „Wir sprechen hier in der Praxis ausschließlich Deutsch!“ eine weitreichende Debatte ausgelöst. Die Praxis hat nach eigenem Bekunden das Wohl der Patienten im Blick. Ohne das Verständnis der deutschen Sprache auf Patientenseite sei weder eine Diagnose noch eine Behandlung möglich. Es gehe nicht um den Ausschluss nicht deutschsprachiger Patienten, sondern um die Sicherstellung einer sach- und fachgerechten Behandlung. Die Reaktion der Patientenseite sei nicht negativ gewesen. Vermehrt würde nun ein Dolmetscher mit zum Termin erscheinen. Das klingt für viele in der Allgemeinheit durchaus vernünftig. Kommunikations-/ Verständigungsschwierigkeiten können erhebliche Probleme nach sich ziehen. Doch das Ansinnen der Praxis stößt nicht überall auf Verständnis. Der Praxis wird von anderer Seite Diskriminierung und Rassismus vorgeworfen. Wie ist die Rechtslage, welcher Umgang ist mit diesem Thema denkbar?
Die Situation kann in vielerlei Hinsicht eine Gratwanderung sein. Zusammenfassend:
- Kommunikation ist alles. Es sollte in jedem Fall der Eindruck vermieden werden, dass die Behandlung nicht deutschsprachiger Patienten abgelehnt wird.
- Zwar gibt es keine allgemeine Behandlungspflicht. Die Ausnahme: Notfallbehandlungen darf der Zahnarzt nicht ablehnen. Ferner ist zu berücksichtigen, dass der Vertragszahnarzt nicht nur zur Teilnahme an der vertragszahnärztlichen Versorgung berechtigt, sondern im Rahmen des Sachleistungsprinzips zur Behandlung gesetzlich versicherter Patienten verpflichtet ist.
- Die ordnungsgemäße Aufklärung obliegt dem Zahnarzt. Ihn trifft die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass er den Patienten entsprechend den gesetzlichen Anforderungen aufgeklärt und dieser die Inhalte verstanden hat. Eine verständliche Aufklärung – ohne Fachbegriffe – ist sonach Arztsache.
- Der Arzt ist nicht grundsätzlich verpflichtet, einen Dolmetscher oder eine andere sprachkundige Hilfsperson hinzuzuziehen (vgl. OLG Karlsruhe, Urteil vom 09.04.2014, Az. 7 U 121/13). Wenn, dann muss er sich zumindest einen ungefähren Eindruck von den sprachlichen Fähigkeiten des Übersetzers verschaffen – etwa durch Nachfrage, worauf dessen Sprachkenntnisse beruhen, kritische Beobachtung des Übersetzungsvorgangs nach Zeitdauer und Ablauf, adäquate Rückäußerungen des Patienten – und sich auf dieser Grundlage auch vergewissern, dass der Patient die Aufklärung verstanden hat (vgl. OLG Köln, Urteil vom 09.12.2015, Az. 5 U 184/14).
- Die Kosten eines professionellen Dolmetschers hat der Patient zu tragen. Das wirkt realitätsfremd. Systemisch ist die Erstattung von Kosten für Dolmetscher nicht vorgesehen, weder gesetzliche noch private Kostenträger übernehmen regelhaft Kosten. Die Kostenfrage sollte im Vorfeld geklärt werden.
- Gibt ein ausländischer Patient, der offenbar der deutschen Sprache ausreichend mächtig ist, während des Aufklärungsgesprächs nicht zu erkennen, dass er die Aufklärung nicht verstanden hat und verlangt auch keinen Dolmetscher oder zumindest einen deutsch sprechenden Familienangehörigen, kann der Arzt davon ausgehen, dass die erteilte Einwilligung in den Eingriff wirksam ist (vgl. OLG Hamm, Urteil vom 08.03.2024, Az. 26 U 75/23).
- Erkennt der Zahnarzt jedoch, dass der Patient der Aufklärung sprachlich nicht folgen kann, erwachsen ihm vor Durchführung der Behandlung Pflichten, für eine valide Kommunikation zu sorgen. Können notwendige Sprachkenntnisse von keiner Seite zur Verfügung gestellt werden, kann der Zahnarzt berechtigt sein, die Behandlung außer im Notfall ablehnen – Ultima Ratio.
Um Sprachbarrieren zu überwinden und rechtlich abgesichert zu sein, sollten Praxen standardisierte Arbeitsabläufe integrieren und Checklisten für die Behandlung fremdsprachiger Patienten aufstellen. Diese können auch bei der – sorgfältigen – Dokumentation unterstützen, die im Streitfall entscheidend sein kann.
Weiterführend
Aufklärung und Behandlung ausländischer Patientinnen und Patienten in ZP 10/2024, Seite 13